Klage gewonnen: Finanzministerium zur Herausgabe von Beiratsprotokollen verurteilt (Aktenzeichen: VG Berlin 2 K 178.18)

by Kanzlei Thomas


Ein weiterer wichtiger Schritt für die Informationsfreiheit: Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit Urteil vom 4. Juli 2019 auf unsere Klage hin entschieden, dass das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Sitzungsprotokolle seines wissenschaftlichen Beirats herausgeben muss.  

Der wissenschaftliche Beirat berät das BMF zu aktuellen Themen der Finanzpolitik. Hierzu veröffentlicht er regelmäßig Gutachten und Stellungnahmen, tagt jedoch geheim.

Unser Mandant hatte über die Transparenzplattform FragDenStaat um Herausgabe der Sitzungsprotokolle dieses Beirats von 1998 bis 2018 gebeten. Das BMF lehnte unter Verweis auf die Satzung des Beirats, in der es heißt, dass die Zusammenarbeit im Beirat auf Vertraulichkeit beruht, ab. Dies stelle eine durch Rechtsvorschrift geregelte Vertraulichkeitspflicht dar, die dem grundsätzlich bestehenden Anspruch entgegengehalten werden könne. Außerdem begründe die Satzung ein besonderes Amtsgeheimnis.

Die Satzung hatte das BMF kurz vor dem Antrag unseres Mandanten noch geändert, um die Geheimhaltung der Protokolle sicherzustellen. Unsere Klage basierte auf der Annahme, dass es nicht ausreichend ist, ohne gesetzliche Grundlage bestimmte Unterlagen für geheim zu erklären. Im Ergebnis würde das dazu führen, dass die Behörde selbst bestimmt, wie weit ihre Verpflichtung nach dem IFG geht.

So sieht es offensichtlich auch das VG Berlin. Denn es hat dem Antrag auf Herausgabe der Sitzungsprotokolle – bei Schwärzung bestimmter personenbezogenen Daten – vollumfänglich stattgegeben. In Bezug auf die Herausgabe der ungeschwärzten Teilnehmerlisten der jeweiligen Protokolle erging ein sogenanntes Bescheidungsurteil. Das BMF muss nun zunächst ein Drittbeteiligungsverfahren durchführen, also den betroffenen Personen Gelegenheit zur Stellungnahme geben.  Auch in der mündlichen Verhandlung neu vorgebrachte Ausschlussgründe, wie die Beeinträchtigung behördlicher Beratungen, überzeugten das VG nicht.

Das Urteil ist auch deshalb bedeutsam, weil es für die Unterlagen weiterer Beratungsgremien, darunter über 100 Beiräte der Bundesregierung, wegweisend sein könnte. Die Beklagte hat bereits angekündigt in Berufung zu gehen. Daher wird sich das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wohl bald mit der Sache befassen.

Weiterführende Links:

https://fragdenstaat.de/blog/2019/07/12/klage-gewonnen-finanzministerium-muss-beiratsprotokolle-herausgeben/

https://netzpolitik.org/2019/verwaltungsgericht-ministerien-muessen-protokolle-von-beiraeten-herausgeben/

https://www.heise.de/newsticker/meldung/Urteil-zur-Informationsfreiheit-Ministerium-muss-Beiratsprotokolle-herausgeben-4469180.html


Glyphosat-Gutachten: Einstweilige Verfügung gegen Portal "Frag Den Staat" aufgehoben

by Kanzlei Thomas


Das Landgericht Köln hat eine gegen die Transparenz-Plattform FragDenStaat ergangene einstweilige Verfügung auf unseren Widerspruch hin mit Urteil vom 04.07.2019 aufgehoben (Aktenzeichen: LG Köln 14 O 86/19).

Die Plattform FragDenStaat hatte beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), einer dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zugeordneten Behörde, ein Gutachten zum Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat angefordert und stellte das Gutachten anschließend der Öffentlichkeit auf der Plattform fragdenstaat.de zur Verfügung. Gegen die Veröffentlichung erwirkte das BfR Ende März beim Landgericht Köln eine einstweilige Verbotsverfügung. Bei Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR wurde der Transparenzplattform dadurch verboten, das Gutachten weiter zu veröffentlichen. Angeblich sei das von Mitarbeitern der Bundesbehörde erstellte Gutachten urheberrechtlich geschützt, das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an den Inhalten des mit Steuermitteln erstellten Gutachtens müsse daher zurücktreten.

Über 40.000 interessierte Bürger stellten daraufhin selbst Anfragen zu dem Gutachten beim BfR. Statt das Gutachten einfach im Internet zu veröffentlichen, verschickte das BfR daraufhin an alle Anfragenden Links, unter denen das Gutachten befristet eingesehen werden konnte.

In dem Gutachten nimmt das BfR Stellung zu einer Monographie der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC). Die IARC hatte Glyphosat kurz zuvor in ihrer am 29.07.2015 veröffentlichten Monographie auf Grundlage der weltweit verfügbaren Literatur bewertet und war dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ sei.

Das Team von Thomas Rechtsanwälte legte daraufhin für FragDenStaat erfolgreich Widerspruch gegen die Verbotsverfügung des LG Köln ein. Auf den Widerspruch wurde die Verfügung nun mit Urteil vom 04.07.2019 aufgehoben.

Grund für die Aufhebung sind formale Fehler bei der Zustellung der einstweiligen Verfügung. Den BfR-Anwälten ist es nicht gelungen, eine den Anforderungen des Prozessrechts genügende Version der Verfügung wirksam zuzustellen. Und dies nicht etwa, weil die Verantwortlichen der Plattform sich durch Tricks der Zustellung zu entziehen versucht hätten. Hintergrund war ausschließlich, dass die vom BfR beauftragte Großkanzlei wiederholt eine Kombination aus mehreren Schriftstücken, nämlich aus Teilen von Kopien einer Ausfertigung der Beschlussverfügung sowie einer beglaubigten Abschrift der Beschlussverfügung, jedoch ohne Unterschriftsvermerk oder Namensnennung der Justizbeschäftigten, zugestellt hat. Dies genügt den Formerfordernissen nicht.

Die interessante Rechtsfrage, ob die Behörde trotz großen öffentlichen Interesses an den Inhalten des Gutachtens das Urheberrecht ihrer Bediensteten dafür benutzen kann, eine Veröffentlichung des Gutachtens zu verhindern, war damit vorerst nicht mehr zu klären. Dies wird in einem ebenfalls von unserer Kanzlei betreuten Hauptsacheverfahren beim Landgericht Berlin zwischen den Parteien nachgeholt werden.

Weiterführende Links:

https://fragdenstaat.de/aktionen/zensurheberrecht-2019/

https://www.lto.de//recht/kanzleien-unternehmen/k/gleiss-lutz-formfehler-zustellung-einstweilige-verfuegung-glyphosat-aufgehoben/

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/online-portal-erfolg-fuer-frag-den-staat-1.4511411

https://www.heise.de/newsticker/meldung/Urheberrecht-FragDenStaat-darf-Glyphosat-Gutachten-wieder-veroeffentlichen-4464058.html

 


Gewonnen beim OLG Düsseldorf: "Die schönsten Wanderwege der Wanderhure" genießen (doch) Kunstfreiheit

by Kanzlei Thomas


Für den Verlag Voland & Quist ist es uns im sog. "Wanderhurenstreit" (OLG Düsseldorf, Urteil v. 05.08.2014, Az.: I-20 U 63/14) gelungen, das OLG Düsseldorf in der Berufungsinstanz doch noch davon zu überzeugen, dass selbst bekannte Marken nicht sakrosankt sind und man sich über sie lustig machen darf. Zumindest dann, wenn dies so kunstvoll geschieht wie bei dem Titel "Die schönsten Wanderwege der Wanderhure" des Autors Julius Fischer. Wir danken dem Verlag für sein Vertrauen und seinen Mut und vielen Unterstützern, die die Finanzierung des Berufungsverfahrens erst möglich gemacht haben.

Meldungen zu dem Verfahren:

Süddeutsche Zeitung vom 7.8.2014

Frankfurter Allgemeine vom 6.8.2014

Spiegel Online vom 5.8.2014


Titel "Die schönsten Wanderwege der Wanderhure" verboten

by Kanzlei Thomas


LG Düsseldorf: Verlag Voland & Quist darf Titel Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ von Julius Fischer nicht weiter vertreiben (LG Düsseldorf Az. 37 O 6/14)

Der Verlag Droemer Knaur hat sich mit einem Verbotsantrag gegen den Titel „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ durchgesetzt. Droemer Knaur, Herausgeber der Bestseller-Reihe „Die Wanderhure“, hatte im Januar vor dem Landgericht Düsseldorf beantragt, es dem von uns vertretenen Verlag Voland & Quist zu verbieten, einen satirischen Kurzgeschichtenband mit dem Titel „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ weiter zu verkaufen. Das Landgericht Düsseldorf gab Droemer Knaur nun Recht und erließ die von Droemer Knaur beantragte Verbotsverfügung.

Droemer Knaur beruft sich auf das Titelrecht. Voland & Quist hält dagegen und sieht den „Wanderwege“-Titel – in dem Autor Julius Fischer unter anderem die aggressive Vermarktung von Bestsellern auch am Beispiel der historischen Romane des Wanderhuren-Autorenduos Iny Lorentz persifliert – als durch die Kunst- und Satirefreiheit gedeckt an.

Das Landgericht folgt im Urteil  der Argumentation von Droemer Knaur, die Kunstfreiheit rechtfertige die Nutzung des Titels nicht. Nach Auffassung des LG Düsseldorf erscheint es „nicht fernliegend, dass der Verkehr (...) den Titel wörtlich nimmt und tatsächlich davon ausgeht, er diene der Kennzeichnung eines Werks welches sich auf der Grundlage der bei der Antragstellerin (Droemer Knaur) verlegten Romane mit der Beschreibung von Wanderwegen befasse, zumal die Titelfigur der Romane als „Wanderhure“ umherzieht.“

Statement des Voland & Quist-Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt Raphael Thomas

„Ich halte die Entscheidung für falsch. Die grundgesetzlich geschützte Kunstfreiheit stellt ein hohes Gut dar. Auch wenn Gerichte nicht unbedingt dafür bekannt sind, Spaß zu verstehen, hätten wir uns in diesem Fall eine intensivere Auseinandersetzung mit der vom Bundesverfassungsgericht wiederholt betonten Bedeutung der Satirefreiheit gewünscht. Denn um Satire handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Titel Die schönsten Wanderwege der Wanderhure  ganz offensichtlich – und Satire darf nach Tucholsky: alles. Das Düsseldorfer Urteil setzt sich damit nicht auseinander: Eine Auseinandersetzung mit dem Tucholsky-Zitat „Satire darf alles“ hält das Gericht schlicht für nicht notwendig: Das Wort „Satire“ taucht im Rahmen der Grundrechtsabwägung in den Urteilsgründen der Einfachheit halber gar nicht auf. Stattdessen erkennt das Gericht, dass sich  „die Verwendung des Werktitels `Die schönsten Wanderwege der Wanderhure` auf die Verbreitung der Titel der Antragstellerin durch die von ihm hergestellte Nähe störend auswirkt“.

Dass Satire unzulässig ist, weil sie dem aufs Korn genommenen Inhalt in die Nähe kommt, ist wenig überzeugend. Nach diesem Urteil darf ein Titel den Gegenstand der Satire nicht einmal mit Samthandschuhen anfassen. Die Auffassung der Düsseldorfer Richter ist wohl eher: „Berühren verboten!“.

Auch aus Verlags- und Autorensicht dürfte die Entscheidung daher eher unerfreulich sein. Über den konkreten Fall hinaus führt sie zu einer erheblichen Unsicherheit bei der Prüfung zulässiger Buchtitel.“

Presseberichte zum Urteil:

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/urteil-im-verlagsstreit-die-wanderhure-darf-nicht-mehr-wandern-12867233.html

http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/kulturwelt/glosse-wanderhure-102.html


"Torpedoklagen" bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet

by Kanzlei Thomas


In einem Aufsatz für die Zeitschrift MultiMedia und Recht fasst unser Mitarbeiter Vittorio DeVecchi zusammen, welche Konsequenzen bei einem Vorgehen gegen nach deutschem Recht unzulässige Bewertungen im Internet drohen, wenn die Bewertungen zwar in deutscher Sprache verfasst sind, die verantwortlichen Portalbetreiber aber im Ausland ihren Sitz haben. Im Patentrecht sind sogenannte "Torpedoklagen", mit denen ein Verfahren durch Erhebung einer negativen Feststellungsklage ins Ausland gezogen wird, seit langem bekannt. In zwei von uns betreuten Verfahren hat ein finnischer Portalbetreiber von dieser prozessualen Möglichkeit Gebrauch gemacht und auf die Abmahnungen unserer Mandanten gegen die sie betreffenden Bewertungen Klagen vor einem finnischen Gericht erhoben. Der Aufsatz ist veröffentlicht in MMR 2013, 422 ff.


Besprechung in NJW 2013, 2538-2539

by Kanzlei Thomas


Über ein Verfahren, das wir seit 2010 für eine engagierte Journalistin gegen die Bundesrepublik Deutschland führen, berichtet die größte Juristenzeitschrift NJW in einer aktuellen Ausgabe (NJW 2013, 2538-2539). Unsere Mandantin begehrt Einsicht in amtliche Unterlagen, die eigentlich ins Bundesarchiv gehören, von den Erben der Verfasser aber in die Konrad-Adenauer-Stiftung und ins Historische Institut der Deutschen Bank "ausgelagert wurden". Gegen diese Form von "Aktenprivatisierung" gehen wir für unsere Mandantin - bislang erfolglos - vor. Es darf nicht sein, dass amtliche Unterlagen dem Zugriff von Journalisten und Historikern sowie der interessierten Öffentlichkeit dadurch entzogen werden, indem sie - statt dem Bundesarchiv - privaten Einrichtungen übergeben werden, die nach eigenem Gutdünken oder Interessen der Erben darüber entscheiden, wer Einsicht nehmen darf und wer nicht. Gegen den Beschluss des BVerwG (Az. BVerwG 7 B 43.12 vom 27.05.2013, zuvor: VG Koblenz vom 01.02.2012, Az VG 5 K 424/11.KO und OVG Koblenz vom 17.08.2012 - Az.: OVG 10 A 10244/1) haben wir für unsere Mandantin in der Zwischenzeit Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Für Fragen zu den Verfahren stehen wir gerne zur Verfügung.  


Weitere Urteilsbesprechung in der AfP

by Kanzlei Thomas


Zur Zulässigkeit mehrerer Schülerzeitungen an einer Schule nimmt eine von uns erwirkte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts Stellung. Die Entscheidung mit dem Aktenzeichen M 3 E 11.5539 ist soeben veröffentlicht worden in der aktuellen AfP - Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (Fundstelle: AfP 2012, 493 - 495).


Aktuelle Urteilsbesprechung

by Kanzlei Thomas


Um unzulässige Webseitenbewertungen in deutscher Sprache auf einem finnischen Bewertungsportal ging es in einem von uns vor dem Landgericht Berlin geführten Verfahren zum Aktenzeichen LG Berlin 27 O 864/11. Das Urteil ist nun gleich in zwei Fachzeitschriften im Volltext veröffentlicht worden (AfP 2012, 486 - 489 = MMR 2012, 706 - 708). Bei Fragen zu diesem Verfahren stehen wir Pressevertretern und Kollegen gerne zur Verfügung.